vom Mutterglück und vom Großmutterglück
Mutterglück
Seht das Kind, das holde, seht,
wie`s auf schwachen Füßchen steht,
in dem Arm der Mutter hangt,
fröhlich hin und her verlangt.
Seht, wie hastig drängt es sich —
locken dort die Hände dich?
Locken Kuß und Schmeichelwort?
Magst dich von der Mutter fort?
O, es ist so furchtsam nicht,
auf des Schwesterchens Gesicht
setzt es keck sein Händchen drauf,
greift ins Haar und hält sich auf.
Feuchten Auges schaut sie hin
auf den holden Kindersinn —
weine, reinsten Glückes froh,
Mutter, weine immer so!
Wie im Herbst die Rebe quillt
und den Drang des Glückes stillt,
so durchdrängt die Mutterbrust
Glückes übervolle Lust.
Doppelt sahst du dich erstehn,
junges Weib, noch hold und schön;
kaum dem eignen Lenz entflohn,
siehst du neuen Frühling schon.
Hast du je solch Glück gedacht,
fröhlich, kindlich, unbedacht?
Glück, wie kannst du größer sein,
solch ein liebes Kind ward dein!
Wie es lächelt! Winkt dir nicht
durch dies Lächeln sein Gesicht?
Liebe lacht so hell dich an
und ein vielgeliebter Mann.
Zeit entflieht mit raschem Schritt,
Lenz und Jugend fliehen mit,
und der schöne Stern verging,
dessen Schimmer dich umfing.
Aber nein, er bleibt nicht fern,
sieh, er kommt als Morgenstern,
sieh, in deines Kindes Blick
leuchtet heller noch sein Glück!
Hermann Kletke (1813-1886)